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Eine Liebeserklärung an den Amateurfunk

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TL;DR

Gleich zu Beginn dieser Liebeserklärung folgt nun für die ungeduldigen Leser eine stark komprimierte Zusammenfassung, warum man Funkamateur werden will:

Mit einer Amateurfunklizenz kann man selbst Funkgeräte bauen, den Mond mit Funkwellen bestrahlen, über Satelliten funken, mit Astronauten, fliegenden Piloten, Menschen auf Öltankern, Forschern an der Antarktis quatschen, sich mit anderen messen, einen Grund haben, in die Natur zu gehen, weltweit Freunde finden, Sprachkenntnisse erwerben und ausbauen, die Welt besser verstehen und viele Ideen für verschiedenste Projekte finden.

Aber zunächst einmal ein paar Worte, wie ich zu diesem Hobby gekommen bin.

Einleitung

Es ist nun über vier Jahre her, dass ich meine Prüfung zur Amateurfunklizenz absolviert habe. Im Frühjahr 2019 bin ich im Internet auf einen Artikel gestoßen, der im Zusammenhang mit dem Amateurfunk stand. Das Thema Elektronik hatte mich schon immer interessiert, fühlte mich aber nicht wirklich sattelfest. Nach einigen Recherchen erkannte ich dann, dass ich durch das Lernen auf die Amateurfunkprüfung einiges in diesem Themengebiet dazulernen könnte. Ein direktes Interesse am Funken selber war zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden. Die Prüfungsgebühren sowie der Kauf des Lernmaterials stellten sich als sehr erschwinglich heraus, sodass ich beschloss, eine Prüfung zur Klasse E im Juli 2019 anzuvisieren. Obwohl ich eigentlich ein Langschläfer bin, plante ich mir jeden Morgen, noch bevor die Familie aufstand, ca. 2 Stunden ein, um auf die Prüfung zu lernen. Während des Lernens stand als Motivation das neu erworbene Baofeng UV-5R immer mit auf dem Tisch, sodass ich zwischendurch dem lokalen Relais-Betrieb zuhören konnte. Nach und nach wuchs in mir das Interesse am praktischen Funkbetrieb. Am 12.7.2019 war es dann soweit und ich legte meine Prüfung zur Klasse E erfolgreich ab. Noch vor Ort sagte mir ein Mitarbeiter der Bundesnetzagentur, dass ich unbedingt direkt weiter lernen und zeitnah die Prüfung zur Klasse A machen solle. Auf diesen Rat hörend, meldete ich mich umgehend zur nächsten Prüfung im September des gleichen Jahres an und lernte im gleichen Stil weiter wie zuvor.

Zur Belohnung für die bestandene Prüfung legte ich mir einen gebrauchten Alinco DX-70 (Kurzwellenfunkgerät) zu, mit dem ich dann am 19.7.2019 meinen ersten Funkkontakt auf der Kurzwelle hatte. Damals noch sehr mikrofonscheu, stürzte ich mich in die Welt der Digimodes, zunächst einmal hauptsächlich FT8. Mein allererstes QSO (Funkkontakt) sollte also auf 10m eine Verbindung nach Portugal mit Antonio, CS7ANU in FT8 sein.

Nachdem ich dann am 5.9.2019 in Nürnberg erfolgreich die Prüfung zur Klasse A absolviert hatte, konnte ich mich endlich auf den teilweise deutlich interessanteren Bändern austoben. Es hat bis Oktober gedauert, bis ich mich getraut habe, meinen ersten SSB Kontakt (40m, GB0PPY) durchzuführen.

Seit dem Frühjahr 2019 verging praktisch kein Tag, an dem ich mich nicht in irgendeiner Form mit dem Amateurfunk beschäftigt habe. Warum das so ist, möchte ich folgend versuchen zu erklären.

Hardware-Basteleien

Das Hobby Amateurfunk ist ideal für jeden, der gerne lötet, bastelt, entwickelt und erfindet. Angefangen beim Bau von Antennenkabeln über Transceiver-Bausätze gehen die Projekte bis hin zu Eigenentwicklungen. Man stößt immer wieder auf Probleme (die man ohne das Hobby nicht hätte), welche es dann zu lösen gilt: Die Faulheit lässt einen einen automatischen Antennenumschalter entwickeln, es wird ein Interface zwischen einem Transceiver und einer Endstufe benötigt oder einfache Drahtantennen für die Kurzwellenstation. Gerade bei letztem lernt man wiederum viele Grundlagen der Hochfrequenztechnik, die einem im Hobby weiter voranbringen.

Dies führt dann zu weiteren "Rabbit Holes" wie z.B. dem Gehäusebau und damit unweigerlich zum 3D Druck. Mit diesem kann man dann wiederum Kunstoffteile für Antennen selber fertigen. Die Verzweigungen in weitere Rabbit Holes scheinen unendlich zu sein.

Software-Entwicklung

Neben der Hardware-Bastelei kann sich der geneigte ITler auch im Bereich der Programmierung verwirklichen. Ich habe bereits einige amateurfunkbezogene Software-Projekte durchgeführt, darunter eine einfache kommandozeilenbasierte Logging-Software, ein mikrocontroller-basiertes Remote Power Meter und viele kleinere Skripte, z.B. zum Übermitteln von Nachrichten an einen Funkpager.

Viele Funkamateure sind dem Open Source Gedanken verschrieben, sodass man viel freie Software z.B. für den Stationsbetrieb findet, die man sowohl selber nutzen als auch aktiv weiterentwickeln kann.

Erdkunde

Ich muss zugeben, dass mich Erdkunde zuvor nie wirklich interessiert hat. Der Grund dafür war wohl die mangelnde Notwendigkeit. Schafft man es aber eines Nachts, wenn man eigentlich schon längst hätte schlafen sollen, einen Funkkontakt z.B. zu einer Station in Aruba herzustellen, kann man nicht anders, als wenigstens auf der Karte nachzuschauen, wo sich der Kommunikationspartner denn befindet. Meistens geht das aber noch weiter und ich informiere mich auf Wikipedia über das jeweilge Land und seine Bewohner.

Auch ist es interessant, sich direkt mit den jeweiligen Kommunikationspartnern auszutauschen und von ihnen aus erster Hand etwas über ihr Land, ihren Wohnort und ihr Leben zu erfahren.

Interessante Kontakte

Es wird immer wieder passieren, dass ein scheinbar gewöhnlicher Funkkontakt zu einem Erlebnis wird, an welches man sich noch lange zurück erinnert. Manchmal auf Grund der Umgebung bzw. Tätigkeit des Kommunikationspartners, weil dieser z.B. gerade als Co-Pilot in einem Linienflugzeug sitzt, ein Maschinist auf einem Öltanker ist oder mal ein Kosmonaut war. Auch sehr seltene Kontakte zu Mitgliedern einer Forschungsstation am Südpol oder einem Astronauten sind möglich, waren mir aber leider bisher nicht vergönnt.

Aber auch Gespräche mit "gewöhnlichen" Menschen können je nach Lebenssituation und -Geschichte außergewöhnlich sein und manchmal auch zu Freundschaften führen.

Mich fasziniert immer wieder, dass es möglich ist, sich mit Menschen auf der ganzen Erde austauschen zu können, ohne dabei auf menschengemachte Infrastruktur (Internet, Repeater, etc.) zurückgreifen zu müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die eigene Station mit Sonnenkraft betrieben wird.

QSL Karten

Nahezu nahtlos an die vorherigen Themen "Interessante Kontakte" und "Erdkunde" knüpft der Austausch von QSL Karten an. Mithilfe dieser wunderbaren Tradition bestätigen sich Funkamateure gegenseitig einen Funkkontakt, in dem sie sich eine QSL Karte schicken. Diese ähnelt einer Postkarte und besteht meistens aus einer bunt bedruckten, individuell gestalteten Vorderseite und einer einigermaßen genormten Rückseite, welche die Daten der Kommunikation, manchmal auch einen persönlichen Gruß und eine Unterschrift aufweist. Diese Karten werden entweder per Post oder kostenlos über den Verein versendet. Weltweit sammeln regelmäßig die in den jeweiligen Ländern organisierten Vereine die QSL Karten ihrer Mitglieder ein und schicken diese an die Clubs anderer Länder, wo sie dann wieder an ihre Mitglieder ausgehändigt werden.

Das Sammeln solcher Karten hilft, sich an besondere Kontakte zu erinnern, dienen aber auch als Nachweis für das Erlangen von Diplomen (dazu später mehr).

Das All, die Raumfahrt und die Satelliten

Natürlich hatte mich das Thema Raumfahrt und Satelliten schon immer interessiert, allerdings hatte ich nie einen direkten Bezug dazu. Dass einen die Amateurfunklizenz aber befähigt, mit anderen Menschen über verschiedene Satelliten oder auch die ISS zu sprechen, ist nicht nur ein großartiges Privileg, sondern hat auch eine ganz eigene Faszination.

Es ist tatsächlich möglich, sich mit einem günstigen Handfunkgerät, 5W Sendeleistung und einer auf einen erdumlaufenden Satelliten gerichteten Yagi-Antenne in der Hand über diesen Satelliten mit einem anderen Menschen, der genau das gleiche zu gleichen Zeit aber an einem anderen Ort tut, zu unterhalten. Dies ist ebenfalls über die ISS möglich und wenn man ganz großes Glück hat, dann kann dieser andere Mensch auch ein sich auf der ISS befindlicher Astronaut sein.

Inzwischen gibt es auch einen geostationären Satelliten, der von Europa, Afrika und Teilen Asiens sowie Südamerika aus erreichbar ist. Dieses intergalaktische Amateurfunkrelais ermöglicht Funkexperimente und die Kommunikation in digitalen Modes, Sprache und Videotelefonie rund um die Uhr, das ganze Jahr.

Abseits der Satellitenkommunikation lernt der Funkamateur viel über die Ionosphäre, welche sich um unseren Planeten herum befindet. Diese ist im Kurzwellenbereich enorm wichtig für die Ausbreitung der Funkwellen. Je nach Sonnenaktivität, Frequenzband, Jahres- und Tageszeit sind plötzlich gar keine oder auch mal ganz besondere Funkverbindungen möglich.

Eine weitere Facette des Amateurfunks ist die Erde-Mond-Erde Kommunikation. Hier nutzen Funkamateure nicht einen Satelliten, um ihr Signal auf die Erde zurückwerfen zu lassen, sondern den Mond. Dieser wird mit hoher Leistung und zielgerichteten Antennen so bestrahlt, dass ein Teil der Funkwellen wieder die Erde erreichen und so von einem anderen Funkamateur gehört und beantwortet werden können.

POTA, SOTA und andere Outdoor-Aktivitäten

Es gibt unzählige Programme, die Funkamateure ermutigen, sich in die Natur zu begeben, um von dort aus zu Funken. Beispielsweise definiert das Parks On The Air (POTA) Programm weltweit Naturparks, die es zu aktivieren und zu jagen gilt. Funkamateure, die dort ihre Station aufbauen, sind die Aktivierer. Sie sind daran interessiert, Outdoor-Aktivität und Amateurfunk zu verbinden und erhalten Punkte sowie Diplome für ihre Aktivierung. Andere Stationen (die Jäger) versuchen die Aktivierer zu jagen, also eine erfolgreiche Kommunikation mit ihnen durchzuführen. Ihre Motivation ist das Sammeln von gearbeiteten Parks, die Unterstützung der Aktivierer und vielen auch der Erhalt von Diplomen.

Diplome

Für diejenigen, denen der persönliche Kontakt oder andere hier aufgeführten Aspekte nicht unbedingt im Vordergrund steht, gibt es eine große Auswahl an Funk-Diplomen. Diese erwirbt man beispielsweise, wenn man Funkkontakte mit mindestens 100 Ländern oder mit allen 50 US Bundesstaaten nachweisen kann. Je nachdem wo man sich auf dem Planeten befindet, kann das eine deutlich schwerer zu erreichen sein, als das andere.

Bei den vorher genannten Ländern handelt es sich eigentlich um sogenannte Entitäten, da ein Land in der Welt des Amateurfunks auch mal aus zwei oder mehrerer solcher Entitäten bestehen kann. Viele oft unbekannte Inseln, die politisch zu einem deutlich bekannteren Land gehören, sind beispielsweise ebenfalls eigene Entitäten. Manche dieser Entitäten sind nicht oder nur spärlich besiedelt oder haben keine aktive Amateurfunkcommunity. Um diese begehrten Entitäten für andere zugänglich zu machen, reisen abenteuerlustige Funkamateure im Rahmen von DXPeditionen an die abgelegensten Orte der Welt, schlagen dort ihr Lager auf und machen für eine gewisse Zeit Funkbetrieb. So kann dieses Hobby auch eine interessante Zusatzkomponente für einen Abtenteurer, Weltenbummler oder Extremsportler sein.

Conteste

An vielen Wochenenden im Jahr werden Funk-Conteste ausgetragen. Je nach Contest geht es darum, in einem bestimmten Zeitraum so viele Kontakte wie möglich zu machen, mit so wenig Leistung wie möglich so weit wie möglich zu kommen oder bestimmte Teile der Welt zu erarbeiten.

Was für viele ein Dorn im Auge ist, ist für andere ein beliebter Sport oder auch eine gute Möglichkeit, Kontakte mit neuen Ländern/Entitäten zu machen.

Community

Die Funkamateur-Community ist eine ganz besondere. Wie in vielen Communities gibt es auch hier den einen oder anderen besonderen Menschen mit dem nicht jeder kompatibel ist, allerdings teilen sich alle die gleiche Technik-Affinität, das breitgefächerte Interesse, die praktische Veranlagung und die hobbybedingte Kommunikationsfreude.

Leider kann man die Funkamateur-Community als überaltert bezeichnen, sodass man selbst mit Mitte 40 zu den jungen gehört. Das schreckt viele Interessierte ab, vor allem wenn es um das Clubgeschehen geht, was tatsächlich als problematisch einzustufen ist. Glücklicherweise organisiert sich der Funkamateur immer mehr virtuell statt nur ortsgebunden und findet auf diese Weise schnell Gleichgesinnte.

Wenn ich einem fremden Menschen begegne und dieser mir sein Rufzeichen mitteilt, ist direkt ein gewisses Grundvertrauen hergestellt.

Zusammenfassung

Es gibt sicher mehr, was man über den Amateurfunk berichten kann. Ich selber habe noch lange nicht all das erforscht, was das Hobby zu bieten hat und ich hoffe, dass das auch niemals der Fall sein wird. Zusammenfassend kann ich sagen, dass es das perfekte Hobby für mich ist, da es mich täglich aufs neue fasziniert, motiviert und mir viel Freude bereitet.